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12.07.2024

Hergovich/Silvan: „Gesundheitstour hat gezeigt: Es ist höchst an der Zeit das Gesundheitssystem in NÖ zu retten!“

Seit Mitte April hat sich die SPÖ Niederösterreich bei 17 Einsätzen mit 700 Menschen – und fast ebenso vielen erlebten Begebenheiten – zu Gesundheitsfragen ausgetauscht, fassen Kontroll-Landesrat Sven Hergovich und Nationalrat Rudi Silvan die Zuhör-Tour zusammen:

„Patientinnen und Patienten, Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Zulieferpersonal, Reinigungspersonal und viele weitere Professionen im Gesundheitsbereich haben uns Einblick in ihre ganz persönlichen Erlebnisse im Gesundheitssystem Niederösterreichs gewährt.“

 

Vom fehlenden Kassen-Hausarzt in der Gemeinde, über die Kassen-Fachärztin, die keine Patientinnen und Patienten mehr annehmen kann, weil sie heillos überlastet ist, bis hin zu langen Röntgen-, MRT- und Facharzt-Wartezeiten war alles dabei. Von geschlossenen Abteilungen in niederösterreichischen Landes-Krankenhäusern, über eine Odyssee durch Niederösterreich im Krankenwagen, weil am Weg liegende Krankenhäuser ihre Abteilungen nicht besetzt hatten, bis hin zu Notfalleinheiten, wie die Stroke-Units, die nicht durchgehend besetzt werden konnten, wegen Personalmangel und vorübergehend nicht in Betrieb waren wurde dabei berichtet. Der rote Kontroll-Landesrat und der SPÖ NÖ-Spitzenkandidat zur Nationalratswahl zeigen sich überwältigt und betroffen:

"Neben extremen Erlebnissen, wie bei einer Krebspatientin bzw. einem Herz-Patienten, die beide monatelange Wartezeiten in Kauf nehmen hätten müssen, wenn sie einer OP in NÖ geharrt hätten, waren es aber vor allem auch die wiederholt auftauchenden immer selben Geschichten, die die ganze Breite an schwarz-blauem Gesundheits-Systemversagen offenbart haben.“

 

Zig-fach berichtete Erfahrungen mit langen Wartezeiten, Ärztemangel, niederösterreichische Landeskrankenhäuser, an denen in Notfallsituationen vorbeigefahren wird, weil sie nicht besetzt sind, etc. Oder die offensichtliche Misere bei ewig langen Wartezeiten auf Routine-OP´s zur Polypenbehandlung bzw. Paukenröhrchen bei leidenden Kindern – die in drei Bezirken von fünf Menschen unabhängig voneinander erzählt wurden. (Anm.: Beispiel am Ende der Aussendung)

 

„Ist das das Gesundheitssystem, in das Schwarz-Blau in Niederösterreich uns noch tiefer hineinführen will? Wo Kinder monatelang leiden und teils starke Medikamente einnehmen müssen, bevor ein Routineeingriff getätigt wird? Kein Einzelfall - 5 Fälle bei 700 Besuchern. Und Schwarz-Blau legt die Hände in den Schoß und betet die Situation schön“, legt Hergovich die Finger in die Wunde des Systemversagens.

 

Er hält an seiner Kritik an der Landesgesundheitsagentur fest: „Ein Verwaltungsmonster, das um 30 Millionen pro Jahr mehr verschlingt als die vorherige Verwaltungsstruktur, muss auch liefern. Das Einzige, das geliefert wird ist jedoch ein zusätzlicher Vorstand und ein Posten-Schlaraffenland für Schwarz und Blau im Land. Im Gesundheitsbereich ist jedoch durch die Existenz der LGA nichts besser, sondern alles schlechter geworden. Abteilungsschließungen in der Vergangenheit und noch mehr davon in der Zukunft, Personal, das nach Entlastung und einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen lechzt oder ein Wohntrakt eines Pflegeheimes der – wegen Baufälligkeit - geschlossen werden muss, sprechen eine eindeutige Sprache. Die Black-Box LGA ist wohl viel mehr ‚Landesgesellschaft für Abteilungsschließungen‘ als ‚Landes-Gesundheits-Agentur‘.“

 

Gestern ist diese Zuhör-Tour zu Ende gegangen und man hat sich oft erwischt beim bedrückenden Gedanken „Und das passiert tatsächlich in Niederösterreich?“, berichtet Nationalrat Rudi Silvan:

„Gesundheit ist inzwischen ein spürbarer Problembereich für die Menschen im Land. Kaum jemand in den sehr gut besuchten Runden, der sich nicht an der Diskussion beteiligt hätte und eine persönlich erlebte Situation hätte schildern können.“

 

Eines der wichtigsten Themen war dabei auch der offensichtliche Ärztemangel im niedergelassenen Bereich, vor allem Kassen-ÄrztInnen werden immer mehr zur ‚Mangelware‘. In Niederösterreich fällt etwa ins Auge, dass beispielsweise ein Kassen-Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde umgerechnet auf 5.820 Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren kommt! 11.384 Frauen ab 14 Jahren müssen sich eine Kassen-Frauenärztin teilen und 25.598 Männer ab 14 Jahren einen Kassen-Urologen. Auch bei Kassen-Hausärzten kommt eine Ärztin bzw. ein Arzt auf mehr als 2.200 Menschen. Nur knapp 46 Prozent der AllgemeinmedizinerInnen-Ordinationen sind mit Kassen-Vertrag ausgestattet. 41 Allgemeinmediziner-Stellen und 40 Facharzt-Stellen sind derzeit zur Nachbesetzung ausgeschrieben. Silvan meint: „Dies gilt es zeitnah anzugehen, um die Verdrängung der Menschen in den Privat-Bereich – wo nicht die E-Card, sondern nur teure Privatversicherungen und die Kredit-Karte als Zahlungsmittel zählen – endlich zu stoppen! Wenn durchschnittlich jeder und jede Versicherte im Bezirk Wiener Neustadt bereits mehr als 1.000 Euro pro Jahr privat für die Gesundheit aufwenden muss – zusätzlich zu den Beitragszahlungen an die Sozialversicherung und Steuern – dann stimmt etwas nicht in diesem Land. Denn es ist offensichtlich, dass wenn man eine private Versicherung hat oder Geld hinlegt, man sehr rasch einen Termin bekommt. Die Kapazitäten wären also durchaus vorhanden!“

 

Hergovich und Silvan abschließend:

„Danke den vielen Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern, die uns auf dieser Zuhör-Tour ermöglicht haben uns an ihren Erlebnissen mit dem Gesundheitssystem in Niederösterreich teilzuhaben. Wir haben daraus viele Informationen – auch regional unterschiedlich – gezogen aus denen Vorschläge entstanden sind, die gerade mit Expertinnen und Experten diskutiert werden und im Herbst vorgestellt werden. Auch an die vielen Mail-Schreiberinnen und Schreiber, die ihre Schicksale in unseren digitalen Briefkasten ‚eingeworfen‘ haben, einen herzlichen Dank. Auch diese werden in unsere Überlegungen einfließen, das niederösterreichische Gesundheitssystem wieder auf die Beine zu bekommen, sodass es allen Landsleuten flächendeckend, wohnortnah und mit der E-Card zur Verfügung stellt. Niemand soll die Kredit-Karte nachstecken müssen, um zu seinem raschen Termin zu kommen.“

 

Anhang – Beispiele:


-       Beispiel – zu wenig KassenärztInnen am Beispiel von urologischen Behandlungen: 2024 ist ein Schaltjahr und hat 366 Tage. Wir entfernen 52 Samstage und 52 Sonntage. Dann noch 11 Feiertage, die nicht auf ein Wochenende fallen. 2024 hält also 251 Arbeitstage bereit. In Österreich wird jedem Mann ab dem 45. Lebensjahr eine jährliche urologische Vorsorgeuntersuchung empfohlen. Das wären 416.961 Niederösterreicher über 45 pro Jahr (siehe Bevölkerungsstatistik: www.statistik-noe.at/wohnbevoelkerung-tabelle). Niederösterreich hat 28 Ärzte mit Kassenvertrag, was also pro Arzt bedeuten würde, dass er 60 Patienten pro Tag betreuen müsste. Das würde dieser also nicht binnen eines Jahres schaffen. Damit werden die Männer, die Vorsorge betreiben möchten, was positive Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem hätte, gezwungen auf Privatärzte auszuweichen und dort – neben den abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen - ein zweites Mal zu zahlen. Ähnliche Beispiele lassen sich bei Kinderärzten und Frauenärzten durchrechnen.

 

-       Erzählung - Polypenbehandlung bzw. Paukenröhrchen-OP´s für Kinder:

o  3-jähriger Bub – hört schlecht, reagiert oft nicht, wenn man ihn anspricht; beim kleinsten Schnupfen bekommt er nachts kaum Luft. Auch Nasenspray hat das nur leicht gelindert.

o  HNO-Kassenarzt in Hollabrunn aufgesucht. Paukenerguss diagnostiziert in beiden Ohren, zu große Mandeln und Polypen. Medikamentöse Behandlung über mehrere Wochen empfohlen und durchgeführt – Cortison-Medikament. Keine Wirkung gezeigt, Situation sogar verschlechtert; HNO-Arzt empfiehlt dringend beidseitigen Einsatz von Paukenröhrchen und die Entfernung bzw. Verkleinerung von Polypen und Mandeln.

o  Überweisung für OP-Termin in KH Krems geschrieben (Oktober 2023). Terminvorschlag des Krankenhauses für Jänner 2025.

o  OP dauert jeweils 15 min. und ist ein Tageseingriff. Mit Mandeln und Polypen sollte es über Nacht erledigt sein.

o  Versuch in einem anderen NÖ-Krankenhaus (St. Pölten) – Termin Oktober 2024.

o  Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Sohnes alle Hebel in Bewegung gesetzt und einen Ambulanztermin zur Voruntersuchung im Hanusch-KH in Wien bekommen. (Mitte November 2023) Dort wurde dringender Handlungsbedarf bescheinigt – nächstmöglicher OP-Termin: Anfang August 2024. Außerdem auf Ausfall-Liste gesetzt. Zweimal wurde so eine Vorreihung möglich – zuerst auf Ende Mai, schließlich sogar Ende April – statt 1 ½ Jahre somit nur ein halbes Jahr gewartet.

o  Der Vater einer Leidensgenossin im selben Zimmer berichtete dann von einer lediglich 3-wöchigen Wartezeit – Grund: Privat versichert + bei der operierenden Oberärztin Privatpatient. Nach dieser Episode private Gesundheitsversicherung für die Kinder abgeschlossen, damit die Kinder nie mehr Leidtragende dieses medizinischen Notstandes sein müssen.


SPÖ NÖ will im Herbst Vorschläge zur Behebung des Systemversagens im Gesundheitsbereich vorstellen