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23.09.2020

Gemeinden werden ausgehungert

Ertragsanteil ist in vielen Gemeinden sogar ins Minus gerutscht!

„Wir werden helfen – koste es, was es wolle!“ So tönte es von der Bundesregierung in unzähligen Pressekonferenzen laut. Und nun ist auch klar, wem die Kosten aufgebürdet werden: den Gemeinden! Denn anstatt den Kommunen, die ohnedies unter Mindereinnahmen bei der Kommunalsteuer und unter Stundungen von Gebühren leiden, unter die Arme zu greifen, sinken die Ertragsanteile des Bundes teilweise sogar ins Minus – was für die Gemeinden nun zum existenziellen Problem wird.

Da auch der Bund weniger einnimmt, sinken die Anteile, die vom Bund an das Land für die Gemeinden überweisen werden. Das Land NÖ aber zieht weiterhin die NÖGUS-Beiträge (Anteile für die Erhaltung der Krankenhäuser usw.) voll ab, sodass unterm Strich für die Gemeinden dann kaum mehr etwas übrig bleibt – einige sogar einen Negativbescheid bekommen und dem Land etwas zurückzahlen müssten!

„Noch absurder geht es gar nicht, das Land nimmt auf die Bedürfnisse der Gemeinden überhaupt keine Rücksicht“, kritisiert der Korneuburger SPÖ-Bezirksvorsitzende und Stadtrat Martin Peterl. Für ihn sei es daher unverständlich, warum die ÖVP gegen den Vorschlag der SPÖ auftrete, an jede Gemeinde für jeden Hauptwohnsitzer 250 Euro zu überweisen. Das wäre der Betrag, mit dem die Gemeinden auch ihre laufenden Kosten decken könnten. „Doch ÖVP-Bürgermeister, die in ihren Gemeinden vorgeben, alles für eine bessere Finanzierung ihrer Kommunen zu tun, stimmen in ihrem Zweitjob als Landtags- oder Nationalratsabgeordneter dann gegen eine bessere Finanzierung der Gemeinden. Das halte ich für schizophrene Politik bei der sich alle BürgerInnen doch fragen müssen, was ihrem Bürgermeister wichtiger ist: Der Parteigehorsam gegenüber Mikl-Leitner und Kurz oder das Wohl der eigenen GemeindebürgerInnen“, sagt Peterl.

Der Gerasdorfer Bürgermeister Mag. Alexander Vojta berichtet von der dramatischen Situation in seiner Gemeinde: „Die Kommunalsteuer sinkt, wenn es mehr Arbeitslose gibt. Und auch bei der Kurzarbeit bekommen wir nur 10 Prozent der Steuer (von dem Anteil, den die Betriebe zahlen). Vom Teil, den das AMS übernimmt (90 %), gibt es keine Steuereinnahmen.“ Auf der anderen Seite aber sei der Bundesertragsanteil rapide gesunken. Im Vorjahr habe Gerasdorf an die 500.000 Euro monatlich bekommen, heuer seien dies im Mai noch 164.000 und im Juni gar nur noch 3.000 Euro gewesen. „Geht das so weiter, fehlen uns heuer bis zu drei und im nächsten Jahr bis zu 6 Millionen Euro für das Gemeindebudget“, sagt Bgm. Vojta.

Daher sei er für das 250-Euro-Modell der SPÖ für jeden Hauptwohnsitzer. Dieses würde Gerasdorf in die Lage versetzen, die laufenden Kosten zu finanzieren, ohne in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Doch nach derzeitigem Stand der Dinge müsse die Gemeinde wichtige Projekte wie den Neubau des Clubgebäudes des SV Gerasdorf/Stammersdorf, des Jugendclubs in Kapllerfeld und auch den Umbau des zu kleinen und nicht barrierefreien Stadtsaals verschieben. Ebenso werden Arbeiten, die nicht unbedingt gleich und auf der Stelle nötig sind, derzeit nicht in Angriff genommen. „Das bringt der Gemeinde jene Millionen, die uns aus den Ertragsanteilen heuer fehlen. Doch da es nun auch keine Aufträge für die Wirtschaft gibt, schadet die Politik der ÖVP nicht nur den BürgerInnen, sondern auch den Betrieben, die nun auch keine Aufträge von der Gemeinde bekommen können. Das wäre beim SPÖ-Modell ganz anders. Doch eines scheint der Bundesregierung nicht klar zu sein: Jeder Cent, der in die Gemeindekasse fließt, wird auch wieder für Projekte ausgegeben und kommt letztlich den Betrieben und der Erhaltung der Arbeitsplätze zugute. Mit dem derzeitigen System aber wird Vieles zugrunde gerichtet.“

Wo Bgm. Alexander Vojta auf gar keinen Fall kürzen will, sind die Schulen und Kindergärten. In Gerasdorf halte die Gemeinde heuer sogar erstmals eine Kindergartengruppe auch über den Sommer geöffnet, da durch die Corona-Situation und vieler bereits verbrauchter Urlaubstage viele berufstätige Eltern schon jetzt nicht mehr wüssten, wie sie ihre Kinder betreuen sollen. Und auch die Kläranlage werde man bauen, weil dies betriebswirtschaftlich sinnvoll sei. Denn derzeit müsse man hohe Kanalgebühren an Wien zahlen.

Der Bürgermeister von Spillern, Ing. Thomas Speigner erlebt die finanzielle Situation seiner Gemeinde noch dramatischer: „Wir bekommen als Wachstumsgemeinde normalerweise durchschnittlich 75.000 Euro Ertragsanteile pro Monat. Im Mai waren es nur noch 26.000 und im Juni haben wir sogar eine Minus-Vorschreibung von -500 Euro bekommen. Wir müssen dem Land sogar etwas zahlen, anstatt etwas zu bekommen. So sieht die reale Gemeindehilfe der „Koste-es-was-es-wolle-ÖVP“ aus.“ Auch die Kommunalsteuer sei um 20 Prozent zurückgegangen, die Gemeindeaufträge an die lokale Wirtschaft könnten so nicht mehr stattfinden. Speigner: „Da ist der Hilfsplan, bis zu 50 Prozent von Neuinvestitionen zu übernehmen ein Hohn. Woher sollen wir das Geld für den von der Gemeinde zu zahlenden Anteil denn nehmen? Somit können wir also auch keine Förderung in Anspruch nehmen, wenn diese an eine Investition gebunden ist, die wir uns derzeit gar nicht leisten können.“

Bürgermeister Thomas Windsor-Seifert aus Stetten hat eine noch negativere Vorschreibung für Juni bekommen: Seine Gemeinde darf dem Land sogar -4.000 Euro zurückzahlen, anstatt, wie im Juni des Vorjahres, 67.000 Euro an Bundesertragsanteilen zu bekommen. „Obendrein suchen Firmen um Stundungen von Gebühren an, die sich sich aber auch im Herbst oder im Jänner nicht leisten werden können, wenn die Auftragslage weiter so schlecht bleibt“, sagt Bgm. Windsor-Seifert. Und die Gemeinde könne auch nicht einspringen, müsse sogar die Umstellung der Beleuchtung auf LED auf Eis legen, was wiederum die Elektrobetriebe in der Gemeinde treffe. „Daher ist es mir auch als Bezirksvorsitzender des Gemeindevertreterverbandes unverständlich, warum die Gemeindechefs hier nicht an einem Strick ziehen, um einen vollständigen Ausgleich der Ausfälle zu erreichen, wie dies beim 250-Euro-pro-Einwohner-Modell möglich wäre“, sagt Bgm. Windsor-Seifert.