Hauptinhalt

05.10.2022

Sidl / Irschik / Zimmerl: Ärzte im Bezirk Melk schmerzlich vermisst

Landarztgarantie der ÖVP gescheitert

Im Bezirk Melk fehlen Haus- und Fachärzte mit Kassenvertrag. „Dass mehr Ärzte benötigt werden, liegt daran, dass die Bevölkerung immer mehr wächst. Auch die Lebenserwartung steigt und damit der Anteil alter und kranker Menschen. Doch nicht nur für sie fehlen Ärzte, sondern auch für die kleinen und jüngeren PatientInnen“, erklärt SPÖ Bezirksvorsitzender und Abgeordneter zum Europaparlament, Dr. Günther Sidl, der einen Überblick über die ärztliche Versorgung im Bezirk Melk gibt, in dem knapp 79.000 Menschen leben. Jeweils 1.670 kommen auf eine/n AllgemeinmedizinerIn mit Kassenvertrag. Auf FachärztInnen mit Kassenvertrag kommen im Bereich Innere Medizin 19.626 BürgerInnen, in der Kinder- und Jugendheilkunde 5.900 Kinder und Jugendliche, in der Urologie 9.845 Männer über 60 Jahre, in der Frauenheilkunde und Gynäkologie 39.376 Frauen und bei Lungenerkrankungen 78.505 PatientInnen.

„Die ÖVP hat vor vier Jahren den NiederösterreicherInnen die Garantie dafür gegeben, dass auch in Zukunft alle Landarztpraxen besetzt sind, um die Menschen wohnortnah und kompetent zu versorgen“, erinnert Sidl: „Die Realität ist leider eine andere. Beispielsweise gibt es in Pöchlarn für knapp 4.000 EinwohnerInnen nur mehr einen praktischen Arzt mit einem Vertrag für die österreichische Gesundheitskasse – die nächsten Praxen sind in Krummnußbaum, Klein Pöchlarn oder Zelking-Matzleinsdorf.“ In vielen Gemeinden – in Hofamt Priel, Erlauf oder Artstetten, um nur einige exemplarisch zu nennen – gibt es gar keine AllgemeinmedizinerInnen mit Kassenvertrag mehr. Die Garantie-Erklärung der Landeshauptfrau ist also gescheitert. Die SPÖ NÖ arbeitet an Lösungen, die sie – so wie das KinderPROgramm und das PflegePROgramm – mit allen politischen Fraktionen diskutieren wird, um das bestmögliche Angebot für die PatientInnen herauszuholen. Denn eines ist offensichtlich: Ärzte werden im Bezirk Melk schmerzlich vermisst – das wollen wir ändern. Wir alle brauchen die Sicherheit, dass sowohl für Vorsorge- und Routineuntersuchungen als auch für Notfälle ärztliche Versorgung gewährleistet ist! Dazu gehören etwa die Wiedereinführung des Gemeindearztes, Verbesserung des Facharztangebots durch beispielsweise Primärversorgungszentren (PVZ), Gruppenpraxen oder die Anstellung von ÄrztInnen in bestehenden Praxen. Im Rahmen der medizinischen Ausbildung könnten Studienplätze für Niederösterreich reserviert werden.

Zwt.: Irschik: Gemeinden wird die Verantwortung aufgebürdet

„Viele ÄrztInnen sind an ihrem Limit angekommen. Sie würden gerne neue PatientInnen aufnehmen, können aber nicht, weil es keine Kapazitäten mehr gibt“, weiß die Stadtparteivorsitzende und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl Petra Irschik aus Mank: „Es zeigt sich, dass die Landarztgarantie der ÖVP wertlos ist.“ In vielen Gemeinden wurden die Planstellen zig-Mal erfolglos ausgeschrieben. Inzwischen seien die Gemeinden diejenigen, die sich nach Kräften dafür einsetzen, dass die hausärztliche Versorgung gesichert ist. „Nicht die Zuständigen im Bund, Land NÖ und der österreichischen Gesundheitskasse sind diejenigen, die für Ersatz kämpfen, wenn jemand in Pension geht – es sind die BürgermeisterInnen, denen die medizinische Sicherheit ihrer BürgerInnen am Herzen liegt. Weil eine gute medizinische Versorgung zur Lebensqualität dazu gehört. Immer wieder hört man von BürgermeisterInnen, dass sie professionelle Scouts einsetzen müssen, die für viel Geld Interessenten für Landarztpraxen finden sollen. Den ‚Zuschlag‘ bekommt in den meisten Fällen jene Gemeinde, die auch für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen kann – beispielsweise Investitionshilfen bei der Übernahme von Praxen. Die Verantwortung wurde damit den Gemeinden aufgebürdet.“ Aber es seien nicht nur die Gemeinden, sondern vor allem die Verantwortlichen des Landes NÖ, die vollmundig Garantien aussprächen, gefordert, erklärt Irschik: „Es ist notwendig, über den Tellerrand zu denken – ein Beispiel dafür ist das Primärversorgungsnetzwerk Alpenvorland, das von ÄrztInnen in Hürm, Bischofstetten, Kilb, Kirnberg und Texing gegründet wurde. Ein Netzwerk, das den PatientInnen ein erweitertes Leistungsspektrum anbieten kann. Jetzt ist die Landeshauptfrau gefordert, ihre Versprechen endlich einzulösen!“

Zwt.: Zimmerl: Frauen sind auf gut ausgebaute (ärztliche) Infrastruktur angewiesen

Wer zum Frauenarzt muss, hat es im Bezirk Melk besonders schwer: Es gibt eine einzige Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Kassenvertrag in Pöchlarn – auf sie kommen 39.376 Frauen. „Ich höre oft von Fällen, in denen ältere kranke oder gehbehinderte Menschen keine entsprechende fachärztliche Betreuung erhalten, weil es ihnen unmöglich ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Praxen zu erreichen“, erklärt die Bezirksfrauen- und Volkshilfe-Vorsitzende Charlotte Zimmerl.



Dazu zwei Beispiele:

  • Die Praxiszeiten der Frauenärztin sind laut Internet am Montag und Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, Dienstag und Freitag von 8 bis 12 Uhr.
  • Wir haben uns in Google Maps die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus den Gemeinden abseits der Hauptrouten angesehen – Startzeit ist Dienstag, 8 Uhr.
  • Beispiel Texing – Abfahrt 8.50
  • Fahrzeit mit Bus und Zug 1 Stunde 40 Minuten, zwei Mal umsteigen.
  • Die Rückfahrt (Annahme 12.30 Uhr) gestaltet sich etwas komfortabler mit nur einem Umstieg: Fahrzeit 1 Stunde 41 Minuten.
  • Gesamt unterwegs: 5 Stunden 40 Minuten (Hinfahrt, Arztbesuch, Rückfahrt)
  • Beispiel Dorfstetten
  • Wenn eine Patientin einen Termin an einem Dienstag wahrnehmen möchte und nur eine öffentliche Anfahrt in Frage kommt, muss die Abfahrt auf 5.52 Uhr vorverlegt werden. Rückkunft ist um 15.37 Uhr. Gesamt unterwegs: 9 Stunden 41 Minuten.

„Die Erreichbarkeit hat starken Einfluss auf die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen – Untersuchungen, die entscheidend beispielsweise zur Krebsfrüherkennung beitragen“, erklärt Zimmerl. In Österreich sind mehr als 60 Prozent der Autos auf Männer zugelassen. Frauen sind also auf ihren Wegen auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen. Vorsorge ist immer besser als Nachsorge – deswegen fordern wir einen Ausbau der KassenärztInnenstellen, damit alle Menschen gut auf ihre Gesundheit schauen können.“ 

Rechenbeispiel 1 – Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe:

  • Im Bezirk Melk gibt es eine Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Kassenvertrag. Auf diese Fachärztin kommen 39.376 Patientinnen ab Jahren. Empfohlen sind jährliche Kontrollen ein bis zwei Mal im Jahr und einmal im Jahr eine Mammografie. Hätte diese alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste sie täglich 107 Patientinnen behandeln. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag bis Freitag aus, wären das 157 Patientinnen täglich.

  

Rechenbeispiel 2 – Urologe:

  • Im Bezirk Melk gibt es einen Urologen. Wenn man nur die Männer über 60 Jahre heranzieht, so kommen auf einen Urologen 9.845 Patienten über 60. Hätte dieser alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste er täglich 27 Männer untersuchen. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag-Freitag aus, wären das etwa 39 Männer täglich. Und dabei reden wir noch nicht von jener Altersgruppe zwischen 45 und 60, für die ebenso die Empfehlung ausgesprochen ist einmal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung zu kommen.

EinwohnerInnen des Bezirks Melk (Quelle: www.noel.gv.at):

  • Gesamt: 78.505 (39.129 Männer; 39.376 Frauen)
  • Unter 15: 11.800 (6.045 m; 5.755 w)
  • 15 – 60 Jahre: 45.486 (23.239 m; 22.247 w)
  • 60 Jahre und älter: 21.219 (9.845 m; 11.374 w)

ÄrztInnen der wichtigsten Fachrichtungen im Bezirk Melk (Quelle: www.arztnoe.at):

  • Allgemeinchirurgie und Gefäßchirurgie: 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Allgemeinmedizin: 47 mit Kassenvertrag; 23 ohne Kassenvertrag
  • Allgemeine Chirurgie und Viszalchirurgie: 1 mit Kassenvertrag, 3 ohne Kassenvertrag
  • Anästhesiologie und Intensivmedizin; 0 mit Kassenvertrag, 3 ohne Kassenvertrag
  • Augenheilkunde und Optometrie: 2 mit Kassenvertrag; 2 ohne Kassenvertrag
  • Frauenheilkunde und Geburtshilfe: 1 mit Kassenvertrag; 6 ohne Kassenvertrag (+ 1 Vorsorge-ÄrztInnen)
  • Gefäßchirurgie (in Ausbildung): 1 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag
  • Geriatrie (Zusatzfach): 3 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag
  • Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde: 1 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Hämato-Onkologie (Zusatzfach): 2 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag
  • Haut- und Geschlechtskrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 3 ohne Kassenvertrag
  • Innere Medizin: 4 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag (+ 2 Vorsorge-ÄrztInnen)
  • Kardiologie (Zusatzfach): 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Kinder- und Jugendheilkunde: 2 mit Kassenvertrag; 2 ohne Kassenvertrag (+1 VorsorgeärztIn)
  • Lungenkrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag
  • Nephrologie (Zusatzfach): 2 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag
  • Neurologie: 1 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag
  • Nuklearmedizin: 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Orthopädie und orthopädische Chirurgie: 1 mit Kassenvertrag, 5 ohne Kassenvertrag
  • Orthopädie und Traumatologie: 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation: 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin: 1 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Radiologie: 2 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag
  • Rheumatologie (Zusatzfach): 0 mit Kassenvertrag, 1 ohne Kassenvertrag
  • Unfallchirurgie: 0 mit Kassenvertrag, 5 ohne Kassenvertrag
  • Urologie: 1 mit Kassenvertrag; 2 ohne Kassenvertrag



Foto (v.l., ©SPÖ Mostviertel/Wurm): Bezirksvorsitzender MEP Günther Sidl, StR Petra Irschik, SPÖ Bezirksfrauenvorsitzende Charlotte Zimmerl