Hauptinhalt

26.09.2022

Fischer/Gastegger: Ärzte im Bezirk Lilienfeld schmerzlich vermisst

Landarztgarantie der ÖVP gescheitert

 

Im Bezirk Lilienfeld fehlen Haus- und Fachärzte mit Kassenvertrag. „Dass mehr Ärzte benötigt werden, liegt daran, dass die Lebenserwartung steigt und damit der Anteil alter und kranker Menschen. Doch nicht nur für sie fehlen Ärzte, sondern auch für die kleinen und jüngeren PatientInnen“, erklärt Christian Fischer, SPÖ-Bezirksvorsitzender, der einen Überblick über die ärztliche Versorgung im Bezirk Lilienfeld gibt, in dem knapp 25.402 Menschen leben. Damit kommen jeweils 1400 Personen auf eine/n AllgemeinmedizinerIn mit Kassenvertrag. Auf FachärztInnen mit Kassenvertrag kommen im Bereich Innere Medizin 12.701BürgerInnen, in der Urologie 3.644 Männer über 60 Jahre, in der Gynäkologie 12.774 Frauen, in der Augenheilkunde und Optometrie und bei Lungenerkrankungen jeweils 25.402 PatientInnen – weil es jeweils nur einen davon gibt. Die Zahlen für Kinder und Jugendheilkunde sind hier ausgespart – weil es im ganzen Bezirk Lilienfeld KEINEN Kinderarzt gibt!


„In vielen Gemeinden gebe es gar keine AllgemeinmedizinerInnen mit Kassenvertrag mehr. Es ist offensichtlich: Ärzte werden im Bezirk Lilienfeld schmerzlich vermisst – das wollen wir ändern. Viele ÄrztInnen sind an ihrem Limit angekommen. Sie würden gerne neue PatientInnen aufnehmen, können aber nicht, weil es keine Kapazitäten mehr gibt“, weiß der GVV-Bezirksvorsitzende Johann Gastegger: „Es zeigt sich, dass die Landarztgarantie der ÖVP wertlos ist.“ In vielen Gemeinden wurden die Planstellen zig-Mal erfolglos ausgeschrieben. Inzwischen seien die Gemeinden diejenigen, die sich nach Kräften dafür einsetzen, dass die hausärztliche Versorgung gesichert ist. Nicht die Zuständigen im Bund, Land NÖ und der österreichischen Gesundheitskassa sind diejenigen, die für Ersatz kämpfen, wenn jemand in Pension geht – es sind die BürgermeisterInnen, denen die medizinische Sicherheit ihrer BürgerInnen am Herzen liegt. Immer wieder hört man von BürgermeisterInnen, dass sie professionelle Scouts einsetzen müssen, die für viel Geld Interessenten für Landarztpraxen finden sollen. Den ‚Zuschlag‘ bekommt in den meisten Fällen jene Gemeinde, die auch für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen kann – beispielsweise Investitionshilfen bei der Übernahme von Praxen. Die Verantwortung wurde damit den Gemeinden aufgebürdet.“ Aber es seien nicht nur die Gemeinden, sondern vor allem die Verantwortlichen des Landes NÖ, die vollmundig Garantien aussprächen, gefordert, erklärt Gastegger: „Jetzt ist die Landeshauptfrau gefordert, ihre Versprechen endlich einzulösen!“


Rechenbeispiel 1 – Gynäkologie:

-       Im Bezirk Lilienfeld gibt es einen Facharzt für Gynäkologie. Auf diesen kommen 12.774 Frauen. Hätte dieser alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste er täglich 35 Frauen untersuchen. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag-Freitag aus, wären das etwa 51 Frauen täglich.


Rechenbeispiel 2 – Lungenheilkunde:

-       Im Bezirk Lilienfeld gibt es einen Lungenfacharzt mit Kassenvertrag. Auf diesen Facharzt mit Kassenvertrag kommen 25.402 BürgerInnen. Hätten diese alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste jeder täglich 70 PatientInnen behandeln – in Zeiten von Covid und dadurch häufiger auftretenden Lungenproblemen eine erschreckende Zahl. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag bis Freitag aus, wären das 102 Patientinnen täglich. Einzige Alternative: Ausweichen in andere Bezirke – einen Wahl-Lungenfacharzt gibt es in Lilienfeld nicht. 


EinwohnerInnen des Bezirks Lilienfeld (Quelle: www.noel.gv.at):

-       Gesamt: 25.402 (12.628 Männer; 12.774 Frauen)

-       Unter 15: 3.488 (1.762 m; 1726 w)

-       15 – 60 Jahre: 14.013 (7.222 m; 6.791 w)

-       60 Jahre und älter: 7.901 (3.644 m; 4.257 w)


ÄrztInnen der wichtigsten Fachrichtungen im Bezirk Lilienfeld (Quelle: www.arztnoe.at):

-       Allgemeinmedizin: 18 mit Kassenvertrag; 6 ohne Kassenvertrag (+ 3 Vorsorge-ÄrztInnen)

-       Innere Medizin: 2 mit Kassenvertrag; 4 ohne Kassenvertrag (+4 Vorsorge-ÄrztInnen)

-       Augenheilkunde und Optometrie: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Radiologie: 1 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag

-       Kinder- und Jugendheilkunde: 0 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Frauenheilkunde und Geburtshilfe: 1 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag

-       Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde: 1 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag

-       Neurologie: 0 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag

-       Lungenkrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Haut- und Geschlechtskrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag

-       Urologie: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

 

Fischer: Bisherige Maßnahmen gegen den Kassenärztemangel sind nicht ausreichend


In dieselbe Kerbe schlägt SPÖ-Bezirksvorsitzender Fischer: „Der niedergelassene Gesundheitsbereich wird grundsätzlich zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer geregelt. In quartalsweisen Stellenplangesprächen zwischen diesen beiden Institutionen wird die Besetzung der Kassenstellen festgelegt. Da es bei diesem Prozess nach dem Gesetz keine zugedachte Rolle für andere Systempartner gibt, liegt es primär an den Krankenversicherungsträgern, attraktive Angebote zu schaffen und gemeinsam mit der Ärztekammer möglichst viele ÄrztInnen in das kassenärztliche System zu bringen“, stellt Fischer unmissverständlich klar.


Falls die vorhandenen Mechanismen jedoch nicht mehr greifen würden, müssten regulierende Maßnahmen seitens der verantwortlichen Politik gesetzt werden. Es gäbe zwischenzeitlich genügend Vorschläge, wie man dem Kassenärztemangel entgegenwirken könnte, merkte Gastegger an. „Auch wissen wir mittlerweile, dass die Maßnahmen gegen den Kassenärztemangel, welche die Mehrheitspartei in diesem Land in der jüngeren Vergangenheit gesetzt hat, nicht reichen“, verdeutlicht der GVV-Vorsitzende.


Die Landeshauptfrau hat vor vier Jahren den NiederösterreicherInnen die Garantie dafür gegeben, dass auch in Zukunft alle Landarztpraxen besetzt sind, um die Menschen wohnortnah und kompetent zu versorgen. Die Realität ist leider eine andere. „Was wir deshalb dringend benötigen, sind gesundheitspolitische Weichenstellungen, die ein leistungsstarkes, flächendeckendes und öffentliches Gesundheitswesen für die Zukunft garantieren und auf die wachsende Bevölkerungszahl, die kommende Pensionierungswelle und den fehlenden Ausbildungsschub die richtige Antwort geben“, so Fischer.


Die SPÖ NÖ arbeitet an Lösungen, die sie – so wie das KinderPROgramm und das PflegePROgramm – mit allen politischen Fraktionen diskutieren wird, um das bestmögliche Angebot für die Menschen in diesem Land herauszuholen. „Wir alle brauchen die Sicherheit, dass sowohl Vorsorge- und Routineuntersuchungen als auch die Akutversorgung gewährleistet sind! Dazu gehören etwa die Wiedereinführung des Gemeindearztes, die Verbesserung des Facharztangebots durch beispielsweise PVZ, Gruppenpraxen oder Anstellung von Ärztinnen und Ärzten in bestehenden Praxen und ein verändertes Aufnahmeverfahren an den Medizinunis. Aktuell werden vielfach jene ausgewählt, die sich nach dem Studium eher wissenschaftlich orientieren. Deshalb muss auf die soziale Kompetenz mehr Augenmerk im Verfahren gelegt werden“, so die beiden sozialdemokratischen Politiker.


„Die Lebensqualität in Niederösterreich steht im engen Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung. Vor diesem Hintergrund muss, neben den für die Besetzung der Kassenstellen gesetzlich vorgesehenen Einrichtungen, auch die verantwortliche Politik im Bund und Land endlich ins Tun kommen und die notwendigen Reformen entsprechend auf den Weg bringen. Denn in Wahrheit ist es längst fünf nach zwölf“, erklären Fischer und Gastegger abschließend.